
Das ABC des Lernens: Buchstabe V geht nicht vergessen
Der Buchstabe V hält grosse Entwicklungsthemen und somit Lernprozesse bereit. Lesen Sie über die Kraft der Verbundenheit, weshalb Vertrauen stärker macht als Kontrolle und dass Verstehen und Vergessen in engem Zusammenhang stehen.
V wie
• Vergessen
Vergessen gehört genauso zu den Aufgaben unseres Gehirns wie das Abspeichern. Ständig kommen neue Informationen hinzu, bestehendes Wissen wird verdrängt. Das ist ein natürlicher Vorgang. Am besten behalten wir Inhalte, die wir verstehen und bewusst mit unserem Vorwissen verknüpfen. Jene, die erfolgreich lernen, machen dies automatisch. Unsere Gefühle spielen dabei eine zentrale Rolle: Interesse, Offenheit und Neugier unterstützen die Merkfähigkeit. Auch die zielgerichtete Aufmerksamkeit begünstigt das Verarbeiten neuer Informationen, das Vernetzen und somit das Abspeichern.
Wissenschaftliche Vergessenskurven zeigen, über welchen Zeitraum wir wie viel vergessen. Egal aus welcher Quelle, sie alle haben etwas gemeinsam: Wollen wir das Langzeitgedächtnis erreichen, heisst das Zauberwort wiederholen, wiederholen und nochmals wiederholen.
Ziel ist, das neu erworbene Wissen so zu verinnerlichen, dass wir über das Langzeitgedächtnis jederzeit Zugriff darauf haben. Der Weg dorthin geschieht über das Arbeitsgedächtnis. Jene Schaltstelle, die gleichzeitig neue Informationen verarbeitet und den Zugang zu den Schubladen bereits vorhandener Informationen gewährleistet, um beides miteinander zu verknüpfen und damit neues Wissen zu schaffen.
Aber wie können wir denn unser Arbeitsgedächtnis stärken und unsere Aufmerksamkeitsspanne erhöhen? Hier ein paar Wege:
• Selbststeuerung: Der Lernprozess erfordert Aufmerksamkeit und Interesse.
• Durch das Verknüpfen von bestehendem Wissen und indem wir Gedanken weiterentwickeln, unterstützen wir das assoziative Denken.
• Neues in eigenen Worten formulieren (auditive Unterstützung sowie Klarheit über das Verstehen).
• Sich ein Bild davon machen (visualisieren).
• Den Stoff strukturieren, sich eine Übersicht verschaffen und Notizen machen.
• Wesentliches von Untergeordnetem unterscheiden, Schlüsselwörter bilden.
• Verschiedene Merktechniken anwenden: in Geschichten, an Orten etc. abspeichern.
Mit Konzentration, bewusster Verarbeitung, dem Anwenden und ständigem Wiederholen können wir dem Vergessen entgegenwirken. Und nicht vergessen: Alles, was neu, spannend oder unerwartet ist, erhöht unsere Aufmerksamkeit und macht unser Gehirn neugierig. Sofern wir uns darauf einlassen.
Und weil der Buchstabe V so vielseitig ist, zwei Denkanstösse zum Schluss:
• Verbundenheit
«Die Kraft der Verbundenheit wird unterschätzt», stellen die Wissenschaftlerin Kathrin Haslam und ihre Kollegen fest. Für die Gesundheit sei die soziale Verbundenheit durch Familie, Freunde, Arbeitsteams, Freizeitgruppen oder virtuelle Kontakte mindestens genauso wichtig wie nicht zu rauchen und sogar bedeutsamer als Sport zu treiben. Gerade in der Pubertät können sich Freundschaften verändern und die unsichere Zugehörigkeit grossen Stress auslösen.
Einsame Jugendliche sollten uns deshalb in Alarmbereitschaft versetzen. Um einer Gruppe anzugehören, zahlen manche Jugendliche einen hohen Preis, insbesondere, wenn extremer Medienkonsum, Lernverweigerung oder das Konsumieren von Drogen Teil der Gruppenidentität sind.
• Vertrauen
Wenn wir jemandem eine Aufgabe anvertrauen, sprechen wir unbewusst aus, dass wir der Person etwas zutrauen (Fähigkeit) und ihr zugleich vertrauen (Verlässlichkeit), basierend auf einer tragenden Beziehung im entsprechenden Kontext. Vertrauen ist «akzeptierte Verletzlichkeit», schreibt Martin Hartmann, und spricht dabei von Spielräumen, die wir gewähren. Der Verzicht auf Kontrolle basiert auf verlässlichen Bindungen und schafft Situationen, die weder überfordern noch bevormunden. Vertrauen ermöglicht inneres Wachstum und unterstützt das Selbstbewusstsein.
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