Das ABC des Lernens: R wie Repetition oder Ruhepausen
Der Buchstabe R führte mich zu einem starken Team: Resilienz, Repetition und Ruhepausen. Während ersteres auf Selbstwirksamkeit aufbaut, stärkt das Repetieren unser Gedächtnis und dank Ruhepausen vertiefen wir das Gelernte. Richtig gut, oder?
R wie
• Resilienz
Der Umgang mit Krisen und schwierigen Lebenssituationen ist wohl der anspruchsvollste Lernprozess, dem wir ausgeliefert sind. Bereits der Säugling wird mit Situationen konfrontiert, in denen er verschiedene Formen von Stress bewältigen muss. Der Jugendliche erlebt ihn sowieso, und auch Erwachsene müssen stets von Neuem um ihre psychische Widerstandskraft und seelische Gesundheit ringen. Da stellt sich die grosse Frage: Weshalb zerbrechen manche Menschen an denselben Lebensumständen, aus denen andere gestärkt hervorgehen?
Ein Blick in die Geschichte zeigt: Bereits im Jahr 1955 prägte die Entwicklungspsychologin Emmy Werner den Begriff Resilienz. Sie begleitete über 40 Jahre lang Menschen, die auf der hawaiianischen Insel Kauai geboren wurden und deren Leben geprägt war von Armut, Alkoholismus, oft auch von Misshandlungen. Viele von ihnen wurden selbst gewalttätig, alkoholabhängig oder psychisch krank. Jedes dritte Kind aber entwickelte sich zu einem psychisch stabilen, sozial gut integrierten, erfolgreichen Erwachsenen. Sie nannte diese Kinder: «Vulnerable but invincible» (verletzlich, aber unbesiegbar). Dasselbe beobachtete man bei Menschen nach traumatischen Kriegserfahrungen. Der jüdische Psychiater Viktor Frankl – selbst Überlebender des Holocaust, ein Grossteil seiner Familie wurde ermordet – war ein weiterer Forscher zum Thema Resilienz. Er nannte es die Logotherapie.
Auch wenn manche Menschen Traumata besser verarbeiten können als andere, braucht es professionelle Unterstützung. Es gibt kein Rezept dafür, dass diese enorme seelische Widerstandskraft auch in Zukunft ungebrochen zur Verfügung steht. Noch heute wird die Resilienz erforscht. Das Bewältigen von Krisen kann Menschen resistenter machen, darin sind sich Fachleute einig. Nur, wie sollen Kinder und Jugendliche ihre eigenen Erfahrungen machen können, wenn sie in einer Gesellschaft aufwachsen, die behütet, begleitet, Steine aus dem Weg räumt und kaum einen Streit unter Gleichaltrigen aushält? Weshalb fällt es uns so schwer, darauf zu vertrauen, dass Kinder Lösungen finden und schwierige Situationen selbst meistern können? Warum schieben wir liebevolles Begleiten vor, wenn wir eigentlich nur Angst davor haben, loszulassen? Ja, wir wollen sie beschützen. Aber können wir sie damit wirklich stärken?
Die Psychologinnen Donya Gilan und Isabella Helmreich haben kürzlich untersucht, welche Faktoren im Umgang mit Stressbewältigung hilfreich sein können. Als erstes halten sie fest: Stress muss nicht generell negativ sein. Entscheidend ist, wie wir ihn bewerten. Und hier beginnt die Krux: Manche sehen nur den Verlust und verschliessen sich vor ihren Ängsten und Sorgen, andere erkennen nebst den Schwierigkeiten Optionen und getrauen sich, neue Wege zu gehen.
Bewältigungsstrategien sind sehr individuell und situationsbedingt. Es beginnt mit der Anerkennung des Problems (im Gegensatz zur Vermeidung und Verdrängung). Ganz wichtig dabei: Darüber sprechen, Handlungsmöglichkeiten überprüfen, Distanz schaffen, wenn möglich Humor zulassen und immer wieder nach Lösungen suchen. Denn das alles ermöglicht eine aktive Auseinandersetzung mit der Krise.
Vermeidungsstrategien entlasten nur kurzfristig. Ablenkungen wie Fernsehen, Medienkonsum, Flucht in die Arbeit, Alkohol- oder Drogenkonsum werden das Problem auf Dauer sogar verstärken. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit ist das Beste, was wir den jungen Menschen in ihrer Entwicklung mitgeben können. Die Erfahrung, etwas bewirken zu können, damit Erfolg zu haben und seine Ziele zu erreichen, macht stark. Umso verlässlicher die Selbstwirksamkeit eines Menschen ist, umso weniger fühlt er/sie sich als Opfer. Das Vertrauen, Einfluss auf die Situation nehmen zu können, lässt handeln. Auch wenn es nicht immer ans Ziel führt, der Erfahrungsgewinn wird für den nächsten Schritt sehr wertvoll sein.
• Repetition
Sie ist eine der wichtigsten Lerntechniken, steht aber leider im Ruf, langweilig zu sein. Dabei wird die Repetition völlig unterschätzt. Sie ist sehr effizient, wenn ein paar wichtige Voraussetzungen stimmen:
• Langzeitgedächtnis: Wer sich direkt nach dem Lernprozess abfragen lässt, bleibt im Kurzzeitgedächtnis haften und hat sein Wissen nur für kurze Zeit gespeichert. So wird der Stoff beim Test nicht oder nur ungenügend zur Verfügung stehen. Besser ist es, sich frühestens nach zwei Stunden abfragen zu lassen, um sich zu vergewissern, ob das Gelernte noch vorhanden ist.
• Zeitintervall: Anfangs sollte man häufiger repetieren, um dann zunehmend die Zeitspanne zu vergrössern. Nach zwei Tagen, nach einer Woche … bis es im Langzeitgedächtnis verankert ist und so dem Arbeitsgedächtnis zur Verfügung steht.
• Verstehen: Reines Auswendiglernen ist meist sinnlos. Wer Zusammenhänge versteht, Vorwissen integrieren kann, eigene Beispiele macht, kann das Wissen als sichere Basis nutzen.
• Abwechslung: Je abwechslungsreicher das Wiederholen gestaltet wird, umso mehr Spuren legen wir im Gehirn. Und es macht erst noch mehr Spass.
• Ruhepausen
Auch Informationspausen werden unterschätzt. Unser Gehirn braucht Zeit, um Gelerntes zu verarbeiten und neu zu konzipieren. Der Hirnforscher H. Beck begründet es so: «Es sind andere Hirnareale, wenn Sie noch einmal über die neuen Sachen nachdenken. Der Kurzzeitspeicher, der diese Sachen warmhält, entscheidet, was für langfristiges Erinnern wichtig ist. (…) Diese Denkleistung, altes und neues Wissen zu kombinieren, braucht Ruhe.» Also, wer clever lernt, macht zwischendurch eine (medienfreie) Pause.